La petite trotte à Léon - PTL 2016

oder

Non, je ne regrette rien!

2008 und 2009 konnte ich die PTL, den damals wohl längsten Trail um den Montblanc, erfolgreich beenden. 2010 wurde auf der italienischen Seite des Monte Bianco der Tor des Géants aus der Taufe gehoben und setzte mit 330 km bei 24.000 Höhenmetern eine neue Marke.

Für die Organisatoren des UTMB/PTL ist es seitdem offensichtlich ein Anliegen, mit der PTL die technischen Schwierigkeiten eines Laufs im Hochgebirge ständig weiter zu erhöhen.

2012 scheiterte ich beim Versuch, die damals aufgerufenen 290 km mit 22.000 hm zu bewältigen und hatte mich seitdem erfolgreich allen Versuchungen widersetzt. Allen Lauffreunden, die in den Folgejahren bei mir anfragten, ob ich mit ihnen ein Team bilden würde, bekamen einen Korb. Bis mon ami Gerhard Röhrl aus der Schweiz sich zuerst die Zustimmung meiner Frau Margot einholte und mich dann mit der Idee konfrontierte, dass zwei eben 60 Jahre alt Gewordene, doch einen "Altherren"-Ausflug um den Montblanc machen könnten.

Wir kennen und schätzen uns. Beide gehören wir zu denen, die zwar nicht schnell, dafür aber lange können. Das perfekte Team - so dass ich über eine Zusage nicht lange nachzudenken brauchte.

Bei einem gemeinsamen langen Trainingslauf auf dem Zweitälersteig (ca. 115 km und gute 4.000 Höhenmeter) im Schwarzwald harmonierten wir bestens und betrieben sehr zuversichtlich weiterhin das individuelle Training.

Während ich außer der Teilnahme an drei Wettbewerben nur in meiner fränkischen Heimat und bei autonomen Unternehmungen in den Alpen unterwegs war, hatte Gerhard bei einigen Trails in den Alpen gemeldet. Die ultimative Vorbereitung bestand für ihn aus einem Start bei der TransPyrenea. Leider zog er sich dort ein Handicap zu und musste dieses Rennen vorzeitig beenden. Ärztlicherseits bekam er zwar ein OK für einen Start bei der PTL, ich bin mir aber nicht sicher, ob Monsieur le docteur bewusst war, wofür er da seine Zustimmung gab.


Eine von uns eigentlich noch vorgesehene gemeinsame Erkundung des ersten Teils der PTL-Strecke scheiterte daran, dass der endgültige Streckenverlauf erst wenige Tage vor dem Start bekannt gegeben wurde. Dennoch standen wir am 22.08.2016 um 09:00 h sehr zuversichtlich und motiviert an der Startlinie in Chamonix. 

Auch bei meinem jetzt 6. Start in Chamonix bin ich zutiefst bewegt, als sich unser überschaubares Feld aus  2er und 3er-Teams in Bewegung setzt. Entspannt geht es durch den Ort, bevor der erste Anstieg mit etwa 1.400 Höhenmeter beginnt.

Wir sind sehr froh, dass der steile Singletrail zunächst durch den Wald auf der Schattenseite des Tals führt. Für den Tag sind Temperaturen über 30° angekündigt und die Sonne brennt von einem wolkenlosen Himmel. 

Oberhalb der Baumgrenze geht es bis zum alten Gare des Glaciers (2.414 m) auf noch recht gutem Pfad dann aber sonnig, wenn auch mit traumhaften Ausblicken, nach oben. Wir sind zwar am Ende des Felds, aber doch recht flott unterwegs. Das ändert sich schnell, als wir in das Moränen- und Blockgelände unterhalb der Aiguille du Midi bzw. der Aiguilles de Chamonix kommen.

Sofern überhaupt Markierungen zu erkennen sind, führt der Track durch meist wegloses Gelände. Wir orientieren uns überwiegend anhand der GPS-Geräte.

Der Lac Bleu bietet Abwechslung für das Auge.

Nach einer langen Querung des Moränengeländes führt uns der gut gehbare Wanderweg "Grand Balcon Nord" in Richtung Mer de Glace und bietet einen fantastischen Ausblick auf die Westwand der Aiguille du Dru.

 

Eine Besonderheit der PTL ist die den Läufern abverlangte Autonomie. Verpflegungsstellen sind im Wesentlichen nicht vorgesehen. So sind wir sehr froh, dass es am Hotel Montenvers, das mit der Zahnradbahn zum Mer de Glace erreichbar ist, zumindest noch Getränke zu kaufen gibt. Danach folgt ein steiler, aber doch recht gut laufbarer Abstieg ins Tal der Arve nach Les Tines. Dort liegen etwa 23 km und gut 2.100 Höhenmeter im Auf- und Abstieg hinter uns. Wir sind knapp hinter unserem Zeitplan zurück. Unsere Hoffnung, vielleicht doch etwas schneller unterwegs sein zu können, hat sich schon verflüchtigt.

Der Track leitet uns auf der gegenüberliegenden Talseite wieder nach oben. Schnell gewinnen wir wieder an Höhe. Zunächst durch Wald, dann über offenes Gelände geht es in Richtung Col de la Glière. Auf den 8 km bis dorthin überwinden wir etwa 1.400 Höhenmeter im Aufstieg. Immer wieder leuchtet der Weiße Berg in der Abendsonne zu uns herüber.

 Gegen 21:00 h schalten wir die Stirnlampen ein und wühlen uns weglos durch Schutt- und Blockgelände nach oben, bis wir kurz vor dem Col wieder auf eine Wegspur treffen. Den Col de la Glière erreichen wir gg. 22:20 h. Danach geht es tendenziell bergab in Richtung Lac Cornu. Auch hier gibt es bestenfalls eine Pfadspur, die aber im Licht der Stirnlampen nur sehr bedingt zu erkennen ist. Durch steiles Schrofengelände, geht es anschließend abwärts. Diesen Abschnitt stufe ich, wie viele andere Teilnehmer auch, als objektiv gefährlich ein.

Danach treffen wir auf auf den Zustiegsweg zum Refuge de Moede-Anterne. Das Refuge erreichen wir am Dienstag gg. 03:00 h. Es handelt sich um eine sog. "Partnerhütte", die für uns auch nachts geöffnet hat. Wir können uns dort für nicht gerade kleines Geld eine Suppe und ein Nudelgericht kaufen und schlafen anschließend für etwa eine 3/4 Stunde.
Gegen 05:00 h machen wir uns auf zum Anstieg auf den Col d’Anterne. Nach Überschreiten des Cols führt erstmals seit dem Start ein halbwegs laufbarer Weg über die Hochebene des Lac d’Anterne.

Danach geht es wieder steil bergab in das Vallon des Chaux. An einer Abzweigung auf ca. 1.450 m Höhe beginnt der Aufstieg zum Gipfel des Mont Buet (3.096 m). Hier trifft sich eine ganze Gruppe von Teilnehmern zu einer kurzen Rast.

Der Weg führt steil durch ein enges Tal aufwärts...

... und bietet immer wieder wunderschöne Ausblicke.

Der Schlussanstieg über den Westgrat des Mont Buet wird sehr technisch...

... aber kurz vor 13:00 h erreichen wir am Dienstag den Gipfel.

Nach einer kurzen Rast machen wir uns auf in Richtung Cheval Blanc. Der Abstieg über den ausgesetzten Grat ist zum Glück ausreichend versichert. 

 Wir queren erneut Blockgelände und erstmals auch einige ausgedehnte Schneefelder. Die als Pflichtausrüstung vorgeschriebenen Steigeisen können aber im Rucksack bleiben.

Nächstes Ziel ist nach einem erneuten Aufstieg der Col Corbeau auf 2.602 m. Von dort geht es hinunter in das Vallon de Tré les Eaux. Laufen ist hier allerdings überhaupt nicht angesagt. Das Gelände ist sehr technisch, so dass wir bergab eher langsamer vorankommen, als bergauf.

An einer weniger steilen Stelle nehmen wir ein kurze Auszeit und dösen ein paar Minuten vor uns hin. Einige Teams überholen uns dort, wenige 100 Meter weiter talabwärts finden wir sie beim Weitergehen ebenfalls pausierend wieder.

Es folgen einige flachere Passagen, diese enden aber recht schnell und leiten uns zu einer gut versicherten Steilstufe.

 Der weitere Abstieg in den Ort Le Buet zieht sich hin. Kurz nach 21:00 h erreichen wir die dortige Kontroll- und Versorgungsstelle Skiroc. Hier gibt es seitens des Veranstalters erstmals ein vernünftiges Versorgungsangebot. Wir essen und trinken ausreichend und nehmen uns eine Stunde Zeit für ein kurzes Schläfchen. Um 23:13 h verlassen wir den VP bereits wieder. Es beginnt ein unschwieriger Aufstieg zum Col de Balme. Die Schlafpause hat uns gut getan, wir sind richtig flott unterwegs und können einige Plätze gut machen. 

 Von der Petite Autane geht es teilweise weglos hinab ins Vallon du Trient. Gerhard kann sein eines Bein nur eingeschränkt belasten, so dass wir deutlich langsamer vorankommen, als bergab normalerweise möglich wäre.

Es dämmert, als wir nach etwas mehr 1.000 hm Abstieg den Talgrund bei Buvette des Glaciers erreichen.

 Der Glacier du Trient leuchtet im ersten Morgenlicht und wir beginnen mit dem Anstieg auf das

Fenêtre d´Arpete. Weitere 1.100 Höhenmeter in einer wilden Landschaft liegen vor uns. 

Um 10.40 h erreichen wir den Überstieg auf 2.685 m Höhe. Damit ist klar, dass wir die Cut-Off-Zeit in Champex (Mittwoch um 11:00 h) deutlich verfehlen werden. Nach einer kurzen Pause machen wir uns an den Abstieg. Zunächst geht es durch verblocktes Gelände steil hinunter, später verläuft der Weg etwas flacher.

 Am Relais d´Arpette gönnen wir uns eine letzte Pause, dann steigen wir nach Champex ab. An der dortigen Versorgungs- und Kontrollstelle ist für uns nach etwa 97 km und gut 9.300 Höhenmetern der "kleine Spaziergang" (Petite trotte) zu Ende.

Unser "Scheitern" ist zwar schade, in Depressionen verfallen wir deswegen aber nicht. Wir haben in den vergangenen 2 1/2 Tagen gemeinsam viele wunderbare Momente in einer fantastischen Bergwelt erleben dürfen.

 

 

Epilog I

Ein Kleinbus der Organisation bringt uns nach Chamonix zurück. Nach einer erholsamen Nacht in Vallorcine nehmen wir am nächsten Morgen den Zug nach Tacconaz und steigen von dort auf zur Passage des Rognes. Das ist der letzte Abschnitt der PTL, den wir nun in der Gegenrichtung begehen. Auch hier zeigt sich der Track als fordernd und technisch sehr anspruchsvoll.

Bachquerung

Interessante Wegführung

Von der Passage des Rognes steigen wir etwa 300 hm ab und erreichen bald das Refuge Nid d`Aigle wo wir mit Blick auf die Aiguille de Bionnassay eine Pause einlegen.

Beim folgenden Abstieg in Richtung Bellevue treffen wir eine sehr zutrauliche Gruppe junger Steinböcke.

Epilog II 

Die PTL wird zwar im Rahmen des UTMB ausgetragen. Sie ist aber kein Lauf im klassischen Sinn. Die technischen Passagen ermöglichen bestenfalls ein Speedhiking, meistens jedoch nur ein bewusstes Steigen und erfordern absolute Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. Das steht aber auch ganz deutlich in der Ausschreibung.

Die Organisationsleistung ist erheblich, in vielen Punkten jedoch, gemessen am Startgeld von 600,00 € pro Team, nur als dürftig zu beschreiben. So gab es in diesem Jahr für die Teilnehmer lediglich eine Tasche des Sponsor Mountain Hardwear. Das in früheren Jahren übliche Teilnehmershirt fiel wohl dem Gewinnstreben der Familie Poletti zum Opfer. Das Angebot an den wenigen vom Veranstalter betriebenen Versorgungspunkten wurde von einigen Teilnehmern als "unzureichend" bis "Essensentzug" beschrieben.
Diese Kritikpunkte werden aber durch den Einsatz der engagierten vielen Helfer überwiegend positiv überlagert.
Trotz der in diesem Jahr nahezu idealen Wetterbedingungen gab es eine hohe Anzahl von Teams, die das Rennen nicht beenden konnten.

Epilog III 

Gerhard, meinem Teampartner, danke ich ganz herzlich für das gute Miteinander. Dass es für uns beide knapp werden würde, war uns immer klar. Schade, dass es uns so früh erwischt hat.

Gerhards Familie hat mich in ihrer Ferienwohnung in Vallorcine willkommen aufgenommen. Danke für die "All-Inclusive" Betreuung.
Nicht zuletzt bedanke ich mich bei meinem Schatz Margot. Sie hat mich von meinem Versprechen, nicht mehr in Chamonix zu starten, entbunden und mir immer den Rücken gestärkt.
Bei Dieter bedanke ich mich für die Mitfahrgelegenheit nach Chamonix und die kurzweilige gemeinsame Zeit mit Tim.
Nicht wegen dieses DNF, sondern wg. des überbordenden Kommerzgedankens, werde ich aber definitiv nicht mehr an einer der Veranstaltungen im Rahmen des UTMB teilnehmen.