Wenn der Name Programm ist:
Dolomiti Extreme Trail (DXT) 2018

 

Das Val di Zoldo in den Dolomiten ist das Tal der Eismacher. Von dort kommt auch die Familie de Rocco, in deren Eisdiele in meinem Heimatort Schwabach gibt es seit Jahrzehnten das beste Eis weit und breit. Und das ist alles andere als subjektiv. Immerhin wurden Guido und Lucca in 2017 Vize-Weltmeister der Eismacher.

Italienisches Eis lässt sich auch in Deutschland genießen. Wer in den Dolomiten laufen will, muss dorthin. Für die über 500 km lange Anfahrt sind 6 bis 7 Stunden angesagt. Irgendwann habe ich mal entschieden, dass ich nur dort laufe, wo die voraussichtliche Laufzeit mindestens so lange dauert, wie An- und Abreise zusammen.

Da passt es doch gut, dass beim DXT 103 ein Zeitlimit von 29 Stunden vorgegeben ist. Für 103 km mit 7.150 Höhenmetern erscheint mir das zumindest theoretisch machbar zu sein.

Ich melde mich schon im Januar an, obwohl mein rechter Vorfuß zu diesem Zeitpunkt alles andere als schmerzfrei ist. Mein Physiotherapeut Murat bewirkt aber ein kleines Wunder, so dass ich zumindest wieder 20 bis 25 km im Training ganz gut laufen kann. Im März und April steht das Training aber hinter Orga und den Vorbereitungen für den JUNUT zurück. An Pfingsten hole ich mir bei meiner 8. erfolgreichen Teilnahme beim KUT aber die Zuversicht, dass der DXT schon klappen könnte. Die Option, mich von der 103 km-Strecke auf die ebenfalls angebotene 53 km Distanz umzumelden, verwerfe ich deshalb.

Recht zuversichtlich stehe ich also am 09.06.2018 kurz vor 05:00 h zusammen mit etwa 300 anderen an der Startlinie. Am Vortag hat es noch heftig geregnet. Jetzt hat es 15° C und einen fast wolkenfreien Himmel. Pünktlich zum Start ist es auch hell genug geworden, um ohne Stirnlampe laufen zu können.

Ziemlich unspektakulär geht es auf der abgesperrten Staatsstraße in Richtung Osten aus Forno di Zoldo hinaus. Leicht abschüssig und gute 2 km auf Asphalt entzerren das Feld. Davon profitieren die ganz Schnellen. Das Hauptfeld staut sich aber an der ersten Engstelle, an der der Anstieg zum Col Marsanch beginnt.

Auf wunderschönen Singletrails geht es erst steil, dann recht abwechslungsreich durch Laubwald nach oben. Nach 6 km und gut 500 Höhenmetern gibt es eine erste Wasserstelle. Die Aussicht auf den Monte Rocchette begeistert, die Temperaturen sind noch angenehm kühl. Die Strecke ist ausreichend markiert. An „schwierigen“ Stellen stehen Streckenposten.

Nach einem steilen Abstieg ins Val Venier überqueren wir den gleichnamigen Wildbach, danach geht es wieder heftig bergauf. Bald ist die Baumgrenze erreicht. Die noch niedrig stehende Sonne lässt schon ahnen, was sie heute so in Petto haben könnte.

Nach knapp drei Stunden, 14 km und guten 1.000 Höhenmetern erreiche ich das Rifugio Pramperet mit einem ersten Ristoro. Es gibt Suppe, Brot, Käse, Wurst und Obst. Genau nach meinem Geschmack.

Ich lerne dort Sebastian Schneider kennen und wir machen uns gemeinsam an den Abstieg zur Malga Pramper. Dort haben nach gerade 2 km schon wieder freundliche Helfer eine Versorgungsstelle aufgebaut. Sebastian ist etwas flotter als ich und so haben wir nur ein kurzes, dafür aber umso angeregteres Gespräch. Da wir uns leider auch nach dem Lauf nicht mehr sehen, muss ich ihm das versprochene Bier schuldig bleiben.

Teilweise sehr steil geht es im ständigen Auf und Ab in Richtung Passo Duran. Bis dort sind es etwas mehr als 14 km. Technische Passagen wechseln sich mit wunderschönen und recht gut laufbaren Singletrails ab.

Am Passo Duran befindet sich das nächste Ristoro. Ich versorge mich und bin 01:20 h vor der dortigen Cut-Off Zeit wieder auf der Strecke.

Wegen zu viel Schnee im Civetta-Massiv ist die Strecke geändert worden. Die Variante führt über sehr technische Trails entweder steil hinauf oder hinunter. Es ist schwülheiß geworden. Besonders in den zu querenden Latschenfeldern staut sich die Hitze. Die Streckenführung erinnert mich an Passagen beim PTL. Das Motto scheint zu sein: Hier ist schon mal jemand drüber, also könnt ihr das auch laufen. Während die Uhr beständig weiter wandert, bewegt sich die km Anzeige auf meinem Garmin erschreckend langsam voran.

Die Verpflegungsstelle am Rifugio Coldai (km 44) ist noch weit entfernt, als sich von Westen her dunkle Regenwolken breit machen. Immerhin scheint es nur eine Regen- und keine Gewitterfront zu sein.

Ich überquere mehrere ausgedehnte Schneefelder.

Dann beginnt es heftig zu regnen. Völlig durchnässt erreiche ich das Rifugio Coldai. Als Sicherheitsfanatiker habe ich Wechselkleidung im Rucksack und diese auch wasserdicht verpackt. So kann ich das Rifugio zumindest wieder trocken verlassen. Bald darauf ist die Regenfront abgezogen und sogar die Sonne kommt wieder durch.

 

Jetzt liegen 8 km zwischen mir und dem Passo Staulanzo (km 53). Dort befinden sich das nächste Ristoro und mein Drop-Bag. Die Cut-Off Zeit ist dort um 21:30 h vorgegeben. Unterwegs beginne ich zu rechnen. Wenn ich für 53 km und gut die Hälfte der Höhendistanz etwa 15 Stunden brauche, bleiben für weitere 50 km und die restlichen Höhenmeter noch 14 Stunden Zeitlimit. Die Nacht steht bevor und ich werde sicherlich nicht schneller unterwegs sein. Durch den Regen sind die Trails schlammig geworden. Wenn die Strecke weiterhin so technisch bleibt wie in der ersten Hälfte, ist ein Scheitern an der nächsten Zeitbarriere ziemlich sicher.

Der Gedanke, einen auf Weichei zu machen und am Passo Staulanza auszusteigen, macht sich breit. Von dort gibt es einen Shuttle-Service ins Tal und ich könnte ganz bequem im Hotelbett schlafen. Die Alternative, weiter zu machen und mitten in der Nacht in Zoppe di Cadore am Zeitlimit zu scheitern, macht mich nicht wirklich an. Ich entscheide mich für das DNF und überrasche Margot, als ich kurz nach 21:00 h vor unserem Hotel stehe.

Als ich meinen Track auswerte, stelle ich fest, dass ich mit etwa 4.300 Höhenmeter doch schon deutlich mehr als die Hälfte der Höhenmeter absolviert hatte. Für die 53 km habe ich 14:56 h gebraucht.

 

 

Möglicherweise hätte es also doch gereicht.

 

Wie dem auch sei: Der DXT ist auf alle Fälle den Versuch wert gewesen. Die Dolomiten sind nicht umsonst Unesco-Welterbe, die Landschaft einfach grandios. Die Organisatoren haben mit Haglöfs einen starken Partner. Wo bekommt man schon ein Paar Trailschuhe als Startergeschenk? Die wirklich vielen Helfer aus dem ganzen Tal sind mit Begeisterung und viel Engagement dabei und die Orga habe ich als perfekt erlebt.


Eigentlich mehr als ein Grund, im kommenden Jahr meinen Hut nochmal in den Ring zu werfen. Herzlichen Glückwunsch an alle Finisher.